Helga Kromp-Kolb, Klimaforscherin im Interview mit Businessart.
Univ. Prof. Dr. Helga Kromp-Kolb ist die Grande Dame in Sachen Klimaschutz in Österreich.
BUSINESSART: Was macht eine Klimaforscherin den ganzen Tag?
Helga Kromp-Kolb: Das frage ich mich am Abend eines Tages auch oft (lacht). Derzeit bin ich vortragend unterwegs und habe viele Besprechungen um jene Forschung zu ermöglichen, die wir benötigen. Ein wichtiger Meilenstein war die Gründung von Climate Change Center Austria (CCCA). Ohne diesen Zusammenschluss der Institutionen, die zum Klima forschen, hätten wir keine so starke wissenschaftliche Klimakompetenz in Österreich, die Politik, Wirtschaft und die Zivilgesellschaft unterstützen kann.
Welche Rolle spielt die Forschung für die Bewältigung des Klimawandels?
Es gibt sehr viele offenen Fragen, von naturwissenschaftlichen bis zu ethischen Fragen. Forschung ist daher wichtig. Öffentlich finanzierte Forschung sollte meines Erachtens zur Lösung der gesellschaftlichen Probleme beitragen, sie kann nicht nur Selbstzweck sein. Öffentliches Geld muss primär dafür genützt werden, gesellschaftliche Probleme zu verstehen und Grundlagen für Entscheidungen zur Verfügung zu stellen. Das ist in unserer Zeit ganz zentral.
Widerspricht das nicht der Freiheit der Forschung?
Nein. Es darf nur nicht vorgeschrieben werden, was herauskommen soll. Forschung muss ergebnisoffen sein.
Wird versucht, die Forschung zu instrumentalisieren?
Ja, man sucht sich jene Forschenden aus, die die passendsten Ergebnisse produzieren. Das war einer der Gründe für die Gründung des Climate Change Center Austria (CCCA). Wir wollen methodische Diskussionen im wissenschaftlichen Raum führen und dann gemeinsam Ergebnisse kommunizieren. Es gibt viele Gründe, warum Forschende zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Es hängt zum Beispiel davon ab, was alles berücksichtigt wird. Das ist in Ordnung, aber es muss es mit den Ergebnissen mitkommuniziert werden, damit man die Unterschiede versteht. In den Publikationen des CCCA wird sichtbar gemacht, was wissenschaftlicher Konsens ist, und wo Verständnis- oder Interpretationsunterschiede innerhalb der Wissenschaft bestehen. Das gibt den Entscheidungsträger*innen Sicherheit.
Was war der Auslöser dafür, dass Sie sich so stark um das Thema Klimawandel angenommen haben?
Ich habe Meteorologie studiert, weil mich die Natur interessiert; dann habe ich mich im Umweltbereich vertieft, weil ich gesellschaftlich Relevantes bearbeiten wollte. 1985 habe ich an einer Konferenz der IIASA (International Institute for Applied Systems Analysis) teilgenommen – da wurde ganz klar, dass das Thema klimawandel zentral wird und wir etwas tun müssen.
Sie haben dann ja auch relativ bald dazu publiziert.
Es ist mir 1990 gelungen, die Kommission Reinhaltung der Luft der Akademie der Wissenschaften zu überreden, dem Klimawandel in Österreich eine Publikation zu widmen. Seither bin ich an dem Thema dran.
Sie kämpfen nun seit 30 Jahren dafür, dass der Klimawandel ernst genommen wird. Wie schaffen Sie es, so viele Jahre motiviert zu bleiben?
Erstens stehe ich fast täglich im Hörsaal vor jungen Leuten. Es ist schwer nur über Differentialgleichungen zu reden aber ihre Zukunft auszublenden. Ich fühle mich verpflichtet, etwas für deren Zukunft zu tun. Zudem habe ich es beruflich und privat mit unglaublich vielen kreativen und positiven Menschen zu tun. Sie gehen mit wachen Augen durch die Welt und wollen etwas zum Besseren verändern. Das ist befriedigend und bereichernd. Und zum Glück habe ich einen Mann, der für mein Engagement Verständnis hat und im selbst beharrlich darum kämpft, dass die Risiken der Kernenergie nicht unterbewertet werden.
Hat sich die Reaktion der Menschen über die Jahre geändert?
Ja, sie empfinden sich nicht mehr als Zuschauer, sondern als (potentiell) Betroffene. Das Bewusstsein ist da. Leider meinen viele Menschen sich gegenüber den Fridays for Future verteidigen zu müssen, weil sie das Gefühl haben, versagt zu haben. Das schlägt dann leicht in Aggressivität um - gerade weil sie den Klimawandel für wichtig halten. Wir sollten von der Schuldfrage wegkommen. Sie sollte uns nicht hindern, jetzt das Richtige zu tun.
Nimmt die Aggression zu?
Es sieht so aus, aber ich kenne keine Zahlen. Die Menschen haben heute weniger Möglichkeiten ihre Aggression loszuwerden, es gibt keine Settings in denen das gut gelingt. Wir diskutieren z.B. zu wenig miteinander
Mehr miteinander zu diskutieren kann helfen?
Genau. Wir haben zum Beispiel an der BOKU eine Lehrveranstaltung namens „Sustainicum“. Die Studierenden bekommen u.a. zwei Texte zu Nachhaltigkeit, die sie dann miteinander diskutieren. Interessanterweise ist das ungeheuer beliebt – eben weil man miteinander diskutiert. Ohne Vorgabe durch den Professor tut man das offenbar kaum mehr. Mails, SMS, Twitter etc. sind keine geeigneten Interaktionsformen – man spürt die Reaktion des Gegenübers nicht. Ich halte das für einen wichtigen psychischen Faktor: Ist da jemand, der sich für mich so interessiert, dass er sich mit mir und meiner Meinung auseinandersetzt?
Univ. Prof. Dr. Helga Kromp-Kolb ist die Grande Dame in Sachen Klimaschutz in Österreich.
BUSINESSART: Was macht eine Klimaforscherin den ganzen Tag?
Helga Kromp-Kolb: Das frage ich mich am Abend eines Tages auch oft (lacht). Derzeit bin ich vortragend unterwegs und habe viele Besprechungen um jene Forschung zu ermöglichen, die wir benötigen. Ein wichtiger Meilenstein war die Gründung von Climate Change Center Austria (CCCA). Ohne diesen Zusammenschluss der Institutionen, die zum Klima forschen, hätten wir keine so starke wissenschaftliche Klimakompetenz in Österreich, die Politik, Wirtschaft und die Zivilgesellschaft unterstützen kann.
Welche Rolle spielt die Forschung für die Bewältigung des Klimawandels?
Es gibt sehr viele offenen Fragen, von naturwissenschaftlichen bis zu ethischen Fragen. Forschung ist daher wichtig. Öffentlich finanzierte Forschung sollte meines Erachtens zur Lösung der gesellschaftlichen Probleme beitragen, sie kann nicht nur Selbstzweck sein. Öffentliches Geld muss primär dafür genützt werden, gesellschaftliche Probleme zu verstehen und Grundlagen für Entscheidungen zur Verfügung zu stellen. Das ist in unserer Zeit ganz zentral.
Widerspricht das nicht der Freiheit der Forschung?
Nein. Es darf nur nicht vorgeschrieben werden, was herauskommen soll. Forschung muss ergebnisoffen sein.
Wird versucht, die Forschung zu instrumentalisieren?
Ja, man sucht sich jene Forschenden aus, die die passendsten Ergebnisse produzieren. Das war einer der Gründe für die Gründung des Climate Change Center Austria (CCCA). Wir wollen methodische Diskussionen im wissenschaftlichen Raum führen und dann gemeinsam Ergebnisse kommunizieren. Es gibt viele Gründe, warum Forschende zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Es hängt zum Beispiel davon ab, was alles berücksichtigt wird. Das ist in Ordnung, aber es muss es mit den Ergebnissen mitkommuniziert werden, damit man die Unterschiede versteht. In den Publikationen des CCCA wird sichtbar gemacht, was wissenschaftlicher Konsens ist, und wo Verständnis- oder Interpretationsunterschiede innerhalb der Wissenschaft bestehen. Das gibt den Entscheidungsträger*innen Sicherheit.
Was war der Auslöser dafür, dass Sie sich so stark um das Thema Klimawandel angenommen haben?
Ich habe Meteorologie studiert, weil mich die Natur interessiert; dann habe ich mich im Umweltbereich vertieft, weil ich gesellschaftlich Relevantes bearbeiten wollte. 1985 habe ich an einer Konferenz der IIASA (International Institute for Applied Systems Analysis) teilgenommen – da wurde ganz klar, dass das Thema klimawandel zentral wird und wir etwas tun müssen.
Sie haben dann ja auch relativ bald dazu publiziert.
Es ist mir 1990 gelungen, die Kommission Reinhaltung der Luft der Akademie der Wissenschaften zu überreden, dem Klimawandel in Österreich eine Publikation zu widmen. Seither bin ich an dem Thema dran.
Sie kämpfen nun seit 30 Jahren dafür, dass der Klimawandel ernst genommen wird. Wie schaffen Sie es, so viele Jahre motiviert zu bleiben?
Erstens stehe ich fast täglich im Hörsaal vor jungen Leuten. Es ist schwer nur über Differentialgleichungen zu reden aber ihre Zukunft auszublenden. Ich fühle mich verpflichtet, etwas für deren Zukunft zu tun. Zudem habe ich es beruflich und privat mit unglaublich vielen kreativen und positiven Menschen zu tun. Sie gehen mit wachen Augen durch die Welt und wollen etwas zum Besseren verändern. Das ist befriedigend und bereichernd. Und zum Glück habe ich einen Mann, der für mein Engagement Verständnis hat und im selbst beharrlich darum kämpft, dass die Risiken der Kernenergie nicht unterbewertet werden.
Hat sich die Reaktion der Menschen über die Jahre geändert?
Ja, sie empfinden sich nicht mehr als Zuschauer, sondern als (potentiell) Betroffene. Das Bewusstsein ist da. Leider meinen viele Menschen sich gegenüber den Fridays for Future verteidigen zu müssen, weil sie das Gefühl haben, versagt zu haben. Das schlägt dann leicht in Aggressivität um - gerade weil sie den Klimawandel für wichtig halten. Wir sollten von der Schuldfrage wegkommen. Sie sollte uns nicht hindern, jetzt das Richtige zu tun.
Nimmt die Aggression zu?
Es sieht so aus, aber ich kenne keine Zahlen. Die Menschen haben heute weniger Möglichkeiten ihre Aggression loszuwerden, es gibt keine Settings in denen das gut gelingt. Wir diskutieren z.B. zu wenig miteinander
Mehr miteinander zu diskutieren kann helfen?
Genau. Wir haben zum Beispiel an der BOKU eine Lehrveranstaltung namens „Sustainicum“. Die Studierenden bekommen u.a. zwei Texte zu Nachhaltigkeit, die sie dann miteinander diskutieren. Interessanterweise ist das ungeheuer beliebt – eben weil man miteinander diskutiert. Ohne Vorgabe durch den Professor tut man das offenbar kaum mehr. Mails, SMS, Twitter etc. sind keine geeigneten Interaktionsformen – man spürt die Reaktion des Gegenübers nicht. Ich halte das für einen wichtigen psychischen Faktor: Ist da jemand, der sich für mich so interessiert, dass er sich mit mir und meiner Meinung auseinandersetzt?
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